VERANSTALTUNGEN DER REIHE
PERSONEN PROJEKTE PERSPEKTIVEN September 1999 - Mai 2001 PERSONEN PROJEKTE PERSPEKTIVEN:
XI. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Maegde und Knechte Das Projekt MAEGDE U. KNECHTE etabliert ein Spielfeld innerhalb der deutschen Kultur. Am Anfang waren die T-Shirts mit dem Schriftzug MAEGDE U. KNECHTE bloß Werbeträger für die Kurz-Jobvermittlung gleichen Namens, bis die meisten Anrufer nicht mehr nach Jobs fragten, sondern nur noch nach den T-Shirts. Ina Kurz, studierte Theologin, als Konzeptkünstlerin und Dichterin
in Hamburg lebend, reagierte zusammen mit ihren Freunden prompt auf diese
Nachfrage. Kurz-Waren (von der Kernseife über das T-Shirt bis zum
Baby Pop) wurden fortan als Transporter für Poesie eingesetzt.
Dichtung ließ sich für sie nun beliebig reproduzieren und zum
Beispiel auf Shirts in alle Welt transportieren.
Wie erfolgreich sie damit sind, zeigt, daß auch Stars der Rock- und Popszene von Marius Müller-Westernhagen über Nena bis zum Hamburger Kultrocker Rocko Schamoni ihre T-Shirts tragen und die Presse wie auch das TV die Arbeit der MAEGDE U. KNECHTE rezipiert. Über ihre Arbeit, ihre Aktionen, über die Verschmelzung von
Poesie und Alltag, Werbung und Politik, wache Gedanken und ihre Resonanz,
wird es am Abend des 11.Mai gehen.
X. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Reality Support Matthias Schamp versteht sich als Hinweisgeber. Er inszeniert den Blick
auf die Dinge. In die Regelwerke des Lebens und die Wahrnehmung des Altvertrauten
bringt er Brüche ein, die neue Sichtweisen eröffen. Ob er in
die Siegener Kanalisation einen Goethe – Text hineinbrüllt (Gesang
der Geister über den Wassern, 2000), mit einem Hubschrauber in einer
Schule im Kreis Borken landet, um vor den Augen der versammelten Schülerschar
vier leichte Dehnungs- und Lockerungsübungen durchzuführen (Trainingseinheit,1998),
zur Erweiterung eines Sendegebiets ein Loch in einen Stuttgarter Berg schaufelte
(Radioplastik, 2000) oder zur Schaffung einer Energieskulptur in einem
Ort im Münsterland sein Körpergewicht reduziert (Acht Pfund für
Freckenhorst, 2000) – die Aktionen und Projekte des in Essen und Bochum
lebenden Künstlers sind für Überraschungen gut. Seit 1996
gibt er eine Zeitung für Hunde heraus, die mit Geruchsinstallationen
im öffentlichen Raum ihre vierbeinige Leserschaft zu erreichen trachtet
(Dogmatic Dog Magazine), in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen
Museum der Stadt Münster richtete er eine imaginäre Pommesbude
ein (´Mythos Grill´,1998) und mit seinem Aufruf zur 1.“Wir-sind-das-Bild“-
Demonstration begründete er 1999 eine Bewegung, die sich in diesem
Jahr unter dem Motto ´The movement goes international´ in der
“Northern Gallery for Contemporary Art“ im britischen Sunderland sogar
internationalisierte. Außerdem schrieb er ein paar Bücher, von
denen das letzte, der Western-Roman “Hirntreiben.EEG“, soeben in der Wiener
edition selene erschienen ist.
Matthias Schamp wurde 1964 in Bochum geboren und wuchs in Krefeld
auf. Nach einem Studium der Philosophie und Kunstgeschichte an der Bochumer
Ruhr-Universität arbeitet er seit 1990 als freischaffender Künstler
und Autor. Den Essenern ist er u.a. durch das von ihm konzipierte Projekt
“Der Helix-Hochbau, Ereignisse zum erweiterten Kunstbegriff“ bekannt (1995-1996
im Kunsthaus Essen).Soeben wurde er als neuer Stipendiat mit dem Kunstkäfig-Stipendium
der Sutter-Unternehmensgruppe bedacht.
IX. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Passion/Gedächtnis: das Kunst-Archiv Peter Kerschgens ist seit mehr als dreißig Jahren fasziniert von
der Welt der bildenden Kunst. Mittlerweile ist er 25 Jahre dabei, ein Archiv
über zeitgenössische Kunst anzulegen.
VIII. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Old Oaks Menue Isolde Loock verwöhnt Sie mit einem köstlichen
Bild-Text-Menü aus Kunst,Reichtum und Liebe.
Die Künstlerin Isolde Loock hinterfragt Paradigmen
wie das künstlerische Einzelgenie in ihren Arbeiten. „Wer sind die
AutorInnen meiner Gedanken? Schützt Copyright vor Menschenrecht?“
Sie schreibt „Gebrauchsanleitungen für einen mobilen Kunststoff: STRETCH
in Bild und Ton. Kunst als effektiv dehnbarer Begriff.“
„Die Arbeiten von Isolde Loock erweisen sich als
sehr moderne Meisterstücke ... dieses Zur-Seite-Treten des Betrachters
und die extremen Verzerrungen erinnern mich daran, daß wir zunehmend
in den Städten mit Dehnungen und Ausschnitten leben und im Weitereilen
– gleichsam aus den Augenwinkeln heraus – Werbeflächen und Hinweisschilder
verstehen.“
Isolde Loock studierte Soziologie, Philosophie
und Anglistik in Freiburg und Hamburg. Sie arbeitet als freie Künstlerin
in Bremen mit Neuen Medien: Video, Videoinstallationen, Foto, Xerographie,
Computer, Text.
VII. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Luhmanns Kunst-Buch und das Beispiel Seinen Text „Die Form der Schrift“ eröffnet Luhmann mit folgender Bemerkung: „Trotz seiner Schwierigkeiten mit ‚Gegenwärtigkeit‘ wird Jacques Derrida hier gegenwärtig sein – hinter und vor den Kulissen.“ Ein solches – gespenstiges – Mitlaufen der dekonstruktiven Referenz, hinter oder vor den Kulissen, soll auch für diesen Vortrag Geltung haben. Doch wird es hier nicht darum gehen, zwei Theoreme gemäß der Logik Systemtheorie versus Dekonstruktion einander gegenüberzustellen, sondern es wird der Versuch unternommen, Luhmanns Kunst-Buch mittels dekonstruktiver Zu/Begriffe zu lesen. Luhmann selbst hat Derrida an vielen Stellen explizit aufgerufen. Es stellt sich bisweilen sogar der Eindruck ein, als ob eines der Hauptanliegen der „Kunst der Gesellschaft“ gerade in der Abarbeitung an und in der Auseinandersetzung mit der Dekonstruktion bestünde. Jedoch ist die Ebene der Derrida-Rezeption nur eine Perspektive; eine solche zudem, die nicht besonders weit führt. Denn folgen wir Luhmanns Argumentation, dann müssen wir glauben, daß wir mit dem systemtheoretischen Betrachtungsinstrumentarium stets einen Schritt voraus sind und die Dekonstruktion immer schon hinter uns gelassen haben. Aber wollen wir ihm glauben? Und gibt es nicht vielleicht einen anderen Zugang zur „Kunst der Gesellschaft“, der deutlich macht, daß sich die Fragen der Dekonstruktion nicht so einfach ad acta legen lassen, sondern vor oder hinter den Kulissen ‚gegenwärtig‘ bleiben? Natalie Binczek, wissenschaftliche Assistentin an der Universität-Gesamthochschule
Siegen. Diverse Publikationen zu Fragen der Medien- und Literaturtheorie,
darunter Bücher: (Hrsg. zus. mit Peter Zimmermann) Eigentlich könnte
alles auch anders sein, Köln 1998 und (Hrsg. zus. mit Martin Rass);
‚sie
wollen eben sein, was sie sind, nämlich Bilder‘. Anschlüsse an
Chris Marker, Würzburg 1999. Ihre Dissertation Im Medium der
Schrift. Zum dekonstruktiven Anteil in der Systemtheorie Niklas Luhmanns,
München 2000 erscheint demnächst.
VI. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Zweierlei Aufmerksamkeit
Das Schöne macht seine Betrachter staunen, heißt es bei Platon.
Das Kunstwerk hat etwas, das ins Auge fällt, was Betrachtung erzwingt,
deshalb staunt der Betrachter bei seinem Anblick. Platon hat keine Gründe
dafür angegeben, wann und warum ein Kunstwerk uns staunen läßt.
Im Anschluß an die jüngste Debatte um Aufmerksamkeit (vgl. Kunstforum
International, Bd. 148, 1999/2000) darf vermutet werden, daß es eine
bestimmte soziale oder neuronale Ökonomie ist, die auch für das
Staunen über Kunst verantwortlich ist. Aufmerksamkeit gilt als knappe
Ressource des neuronalen Systems, das seiner Umwelt daher nur begrenzt
Beachtung schenken kann; man kann nicht alles rezipieren, sondern man muß
auswählen. Aufmerksamkeit finden also nicht alle Dinge, sonder nur
bestimmte. Wann finden Kunstwerke Aufmerksamkeit? Wenn sie neu sind, wenn
sie anders sind, haben die Philosophen seit dem 18. Jahrhundert vorgeschlagen.
Der Reiz der Neuheit, die Abweichung vom Bekannten und Gewohnten fesselt
unsere Aufmerksamkeit. Es scheint, als ob der Gegenstand unter bestimmten
Umständen seine Beachtung erzwingt – was allen Annahmen vom interesselosen
Wohlgefallen am Schönen bis zur Autonomie des Werks widerspricht.
Niels Werber
Niels Werber, geb. 1965 in Freiburg/Breisgau, 1993 Promotion,
1994-1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistik
der Universität Bochum, ab 1999 Stipendium der DFG zur Förderung
einer Habilitation zum Thema Liebe als Roman. Buchpublikationen: Literatur
als System (1992), Beobachtungen der Literatur (1995, mit Gerhard
Plumpe), Kommunikation, Medien, Macht (1999, mit Rudolf Maresch).
System- und medientheoretische Aufsätze sowie zur Literatur um 1800.
Regelmäßige Beiträge für Merkur, Soziale Systeme,
Telepolis, taz, Tagesanzeiger Zürich und Frankfurter Rundschau.
V. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Edition als öffentliche Sache Der Herausgeber der historisch-kritischen Hölderlin-Ausgabe (Frankfurter Ausgabe) wird kurz vor dem Erscheinen der lange erwarteten Bände 7/8 'Gesänge' das erst mit dieser Edition sichtbare Verfahren des Dichters erläutern. Es ist mit dem schon in der jüdischen Kabbala geprägten Begriff vom 'Bruch der Gefässe' zu benennen. Ihm steht auf der anderen Seite der Gedanke oder die Hoffnung der Sammlung gegenüber. Die Inselwelt der späten Entwürfe und Notate Hölderlins erweist sich unter diesem Aspekt als der reale und in dieser Form elaborierte orbis des Gesangs, der jetzt zusammen-zulesen und als zusammenhängendes Ganzes zu restituieren ist. Gezeigt werden erstmals dokumentarische Neuaufnahmen
des Homburger Foliohefts.
Dietrich E. Sattler, geb. 1939 in Apolda,
lebt in Bremen.
IV. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
"Alles ist auch anders möglich" - Kunst als System und als Umwelt Dass "alles auch anders möglich ist", mag eine Erfahrung
sein, die die moderne Gesellschaft im allgemeinen akzeptiert, auch wenn
immer wieder Versuche sichtbar werden, die Kontingenz der Umstände
durch Inszenierung ihrer Unabänderlichkeit unsichtbar werden zu lassen.
Für den Bereich der Kunst hingegen war die Zumutung der Kontingenz
ihrer Werke lange eine Art Tabu: Was, wenn nicht das gelungene, große
Werk verschaffe der Gesellschaft die Evidenz des Nicht-anders Möglichen?
An einer Symphonie Beethovens möchte man keine Note, an einem Gemälde
Picassos keinen Farbton, an einem Roman Flauberts keinen Satz ändern!
Oder doch? Und selbst der programmatische Gebrauch, den die Kunst des zwanzigsten
Jahrhunderts von den Effekten des Zufalls machte, hat die Perfektionserwartung
kaum irritieren können, die das Publikum an Kunstwerke zu richten
gewohnt ist. Könnte es sich aber nicht so verhalten, dass Kunstwerke
in Wahrheit eine raffinierte Allianz von Kontingenz und (nicht anders
denkbarer) Perfektion eingehen? Nehmen wir sie als Beobachter nicht erst
dann als "Werke" wahr, wenn wir sie wenigstens probeweise im Horizont anderer
Möglichkeiten sehen, um dann zugeben zu müssen, dass sie ihre
Faszination nicht zuletzt ihrer Alternativlosigkeit verdanken, die sich
im Akt der Auswahl der Kunstproduktion prozessual realisiert, wenn sich
jede einzelne Operation einer Auswahl aus anderen Möglichkeiten verdankt,
so dass für Künstler und Publikum jedes einzelne Werk gleichsam
erst im Kontrast zu einer Vielzahl potentieller, nichtrealisierter Werke
überzeugt?
Gerhard Plumpe, Dr. phil. Professor für Neuere Deutsche
Literaturgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Hauptarbeitsgebiete:
Ästhetik- und Mediengeschichte; Literaturtheorie; Literatur des 19.
Jahrhunderts.
III. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Wie über Kunst sprechen Die Kunst, wird gesagt, ist gegenwärtig eine unkalkulierbare Verausgabung im Widerstreit mit einem vom Kalkül beherrschten Dasein. Als Genussmittel überflüssig, in den Händen und Köpfen von viel zu vielen verkommen, taucht sie handkehrum als etwas Hochkomplexes auf, das alle Möglichkeiten der Erkenntnis öffnet.
Urs Jaeggi
Urs Jaeggi
II. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Bild Wort Wort Bild Die poetischen Texte von Andreas Weiland sind nicht denkbar ohne die
Rezeption moderner amerikanischer Lyrik – von Carl Sandburg über Ezra
Pound bis zu William Carlos Williams, dessen Sprachrhythmus und dessen
Aufmerksamkeit für die Dinge des Alltags ihm – vor nunmehr über
30 Jahren – sehr deutlich wurde und dem er – nächst Olson – sein Verständnis
der Bedeutung der Zeile und des Atems schuldet.
Die Lesung von Andreas Weiland – die II. Veranstaltung in der von Doris Schöttler-Boll initiierten Veranstaltungsreihe „Das eine tun, das andere nicht lassen“ – findet im Rahmen der offenen Ateliertage statt (kunstspur essen 25./26. September – 14 bis 20 Uhr). Zugleich stellt Doris Schöttler-Boll Arbeiten in ihrem Atelier
aus.
I. Veranstaltung der Reihe Personen Projekte Perspektiven
Azur in nuce / Unica Zürn Für die Schriftstellerin, Dichterin und Künstlerin Unica Zürn (am 6. Juli 1916 in Berlin-Grunewald geboren – am 19.Oktober 1970 Selbstmord durch einen Sturz vom Balkon der Wohnung in der rue de la Plaine, Paris) war die 9 die vollkommene Zahl, die Zahl des Lebens. So begründet sich auch das Datum für diesen Veranstaltungsabend. Eine Lesung mit Texten Unica Zürns und die Komposition Azur in Nuce von Inge Morgenroth – deren Titel ein Anagramm darstellt, in dem der Name Unica Zürn verborgen ist – bilden den Mittelpunkt des Abends. Im Umfeld des Surrealismus produziert Unica Zürn – mit einem ausgeprägten Interesse für ästhetische Konstruktion – Texte/Bilder, in denen das Bedürfnis nach starken, mit Lebensintensität besetzten Vorstellungen spürbar wird. Zur Sprache kommen wird auch das Leben der Unica Zürn, für
die der familiale Rahmen zu klein blieb, und der Raum jenseits davon auch
noch nicht die Größe besaß, die ihrem Wesen vielleicht
entsprochen hätte.
Darüber hinaus möchten wir Unica Zürn ehren, indem
wir den Blick auch nach vorn richten und über unsere konkreten Projekte
sprechen...
Inge Morgenroth, Literaturwissenschaftlerin und Komponistin aus
Berlin, ist gewiß Wegbereiterin für die Rezeption der Werke
Unica Zürns. Sie war Herausgeberin von Texten Unica Zürns im
Lilith Verlag, Berlin 1981, und Anregerin für die Unica Zürn-Gesamtausgabe
im Verlag Brinkmann & Bose, Berlin. 1998 konzipierte und realisierte
sie in Zusammenarbeit mit Brinkmann & Bose und der NGfBK Berlin die
große Unica Zürn-Retrospektive (in: Neue Gesellschaft für
Bildende Kunst, Berlin; Museum Bochum; Gerhard Marcks-Haus, Bremen).
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