Susanne Weirich: Avatare und Andere
Zu der XLV. Veranstaltung der Reihe
(PPP 45) Susanne Weirich: Avatare und Andere
Wie entkommt man dem Untergang? Die Videoinstallation >Ich habe die Apokalypse verpasst< (1993) zeigt die Künstlerin als verstummte Bekennerin auf 10 Monitoren. Ihr unerhörtes Geständnis kommentieren hundert kurze Erklärungen, montiert aus Interviews mit 10 HamburgerInnen und BerlinerInnen aus verschiedenen Berufen. An wechselnden Orten entsteht in Kombination mit detailliert beschriebenen Arbeitsvorgängen eine Sammlung von ,true stories'. So erfährt man in dramatischen Schilderungen, wie mit Löchern umzugehen ist: Datenlöchern, Löchern in Fahrkarten, in Schuhen, in Körpern und in Romanen von Flann O'Brien. Auch, wie es um das Ende bestellt ist, was der Abdruck wirklich ausdrückt, weshalb Kopien sinnvoll sind und wann man einen Punkt macht. In verschiedenen anderen medialen Erzählungen sind neben realen Personen auch fiktionale Figuren die multiplen und allgegenwärtigen Stellvertreterinnen der Künstlerin. ‚Tokyo Rose’, ein Name, den die Amerikaner während des Zweiten Weltkriegs im Pazifik den vielen englisch sprechenden weiblichen Stimmen des japanischen Propagandasenders ‚Radio Tokyo’ gaben, ist die Schlüsselfigur in der gleichnamigen Dia-Installation. >Tokyo Rose< basiert auf einer vierzigminütigen Tonmontage. In inszenierten Dialogen werden literarische Erzählungen mit wissenschaftlichen Texten, Archivdokumenten und Musik kombiniert. Simultan sind dazu jeweils drei Projektionen auf drei Leinwänden zu sehen. >Tokyo Rose < zeigt die 'Universalität des Seufzers' (Teil I), beschreibt den 'Strom der Sprache' (Teil II) und sucht die 'Spur der Stimmen' (Teil III). Das Ergebnis ist synthetisch: Tokyo Rose entpuppt sich als „composite of several women“. Mit Hilfe des Softwareprogramms von Ada Lovelace - einer weiteren Protagonistin - verleiht sie dem verstummten, romantischen Wasserwesen Undine eine neue Stimme. Tokyo Rose selbst bleibt aber unsichtbar, ebenso wie der Truckdriver Tom P., der 1996 in einer kalifornischen Garage seine Roadkill-Sammlung zur Schau stellt und kommentiert (>Tom’s Fur and Feathers<) und die anonyme Sie in >Elle ne perd pas le nord<. In der barocken Liebestopographie der ‚Carte de tendre’ von 1654 orientiert sie sich 1998 mit geographischen Handbuch-Hinweisen aus dem 20. Jahrhundert. In >Silent Playground< werden Spielsituationen aus dem Genre der Survival-Computerspiele im realen Raum mit einer lebendigen Person simuliert. Von einer Steadycam in unterschiedlichen Situationen verfolgt, wird die identifikatorische Spielfigur Heather, verkörpert von der Schauspielerin Inga Busch, zu einem hyperrealistischen Avatar. Es sind 6 Filmsequenzen entstanden, die sich an der Logik und dem Setting von Computerspielen orientieren. Jede Sequenz hat zwei verschiedene Enden – bezeichnend für die binäre Logik der Spiele – ein gutes und ein böses. Das Filmmaterial liegt bewusst zwischen Spielfilm- und 'PlayStation'-Ästhetik. Anspielungen an Spielfilmmotive lassen Raum für ein weit verzweigtes Assoziationsspiel. Kurzbiographie:
Susanne Weirich, Bildende Künstlerin, geboren 1962 in Unna, Studium
an der Kunstakademie Münster (Meisterschülerin bei In ihren multimedial und interdisziplinär angelegten Installationen untersucht sie mit einem konzeptuellen Ansatz narrative Strukturen. Immer wieder entwickelt sie installative Formen, in denen sie das Zusammenspiel von Realität und Fiktion in Alltags- und Parallelwelten thematisiert. Sie erhielt zahlreiche Preise und Stipendien und ist seit Jahren in internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen präsent, u.a. in >Das XX. Jahrhundert< (1999) in der Neuen Nationalgalerie in Berlin, >Die Glücksprophezeihungsmaschine< (2000/01) im Haus der Kunst in München, >The Word Wolke< (2001) im Edith-Ruß-Haus für Medienkunst in Oldenburg, >Spielräume< (2005) im Wilhelm Lehmbruck Museum in Duisburg oder >You won’t feel a thing< (2007) im Wyspa Institute of Art, Gdansk . Das Kunsthaus Zürich zeigte bereits 1999 eine >Kleine Retrospektive< ihrer Werke. Seit 1991 lehrte sie an unterschiedlichen Institutionen, wie u.a. der TU Berlin oder 1995/96 am Pasadena Art Center, Los Angeles. Von 2000 - 2006 war sie Professorin an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg. Weitere
Infos auf der website der Künstlerin: http://
www.susanneweirich.com Atelierhaus -Alte Schule- Äbtissinsteig 6 45276
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